Die FDP in der Niedersachsenwahl im Sinkflug. Kann sich die Partei reformieren?

Reformiert sich die FDP nach Wahldebakel in Niedersachsen?

Bei der Niedersachsenwahl haben nur noch 4,7 Prozent der Wähler für die FDP gestimmt – die Freien Demokraten fliegen damit aus dem Landtag. Der gesamte niedersächsische Landesvorstand um den Landesvorsitzenden Stefan Birkner trat daraufhin geschlossen zurück. Ein Teil der FDP-Wähler hat sich diesmal für die AfD entschieden, es sollen 40.000 Stimmen sein. Ein großes Debakel und eine Krise für die Liberalen. FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner sagte nach der Wahlschlappe: „Unser Ziel war klar: Wir wollten eine linke Mehrheit, eine linke Koalition in Hannover verhindern. Nach allem, wie es aussieht, wird die Mitte nicht gestärkt, sondern Niedersachsen wird nach links gehen. Das war das, was wir verhindern wollten.“ Erfolglos.

Wie schwer die Abgrenzung zu den linken Parteien ist, äußerte Lindner bereits im August im ARD-Sommerinterview: „Nahezu jeden Tag“ versuchten Grüne und Teile der SPD „die Politik in Deutschland weiter nach links zu rücken“. Lindner: „Wir sind diese schwierige Koalition mit zwei linken Parteien eingegangen, weil die Realitäten das von uns erfordert haben, aber wir haben eben Grenzen.“

Christian Lindner im ARD-Sommerinterview über die schwierige Ampel-Koalition mit SPD und Grünen.

Die Ampel-Koalition ist das große Problem für die Koalitionspartei FDP. Der „Bild“ sagte Hermann Binkert vom Meinungsforschungsinstitut INSA: „Die Beteiligung an der Bundesregierung schadet der FDP. Sie wird von einem Teil ihrer potenziellen Wähler nicht als die Partei wahrgenommen, die Schlimmeres verhindert, sondern als die Partei, die Rot-Grün stützt.“

Kann die freiheitliche Partei sich nach der niedersächsischen Wahlschlappe reformieren, Vertrauen zurückgewinnen und erneut die Wählergunst erringen? Der FDP-Bundestagsabgeordnete und das Mitglied im Haushautsausschuss, Frank Schäffler, zeigt sich in einem Gastbeitrag in der „WELT“ selbstkritisch, aber auch vorsichtig optimistisch. Die Wähler seien unzufrieden mit der Ampel-Koalition, weil die Liberalen in der Corona-Politik nicht ausreichend die Freiheitsrechte des Einzelnen verteidigte, so Schäffler. Eine Maskenpflicht in Bus und Bahn, aber nicht in Flugzeugen, „entbehrt jeder Logik“.

FDP braucht Reform und ein aktuelles Grundsatzprogramm

Und auch in der Energie- und Wirtschaftspolitik setze sich die FDP nicht ausreichend durch. Zwar verantworte Robert Habeck (Grüne) politisch das Wirtschafts-Ressort und damit das Abschalten von Kernkraftwerken, aber die Wähler machten die FDP als Teil der Bundesregierung mitverantwortlich. Schäffler fordert: „Daher muss die FDP in der Regierung ihre Wirtschaftskompetenz glaubwürdiger vertreten.“ Im beruflichen Netzwerk LinkedIn schrieb Schäffler, die Berliner Ampel-Koalition hänge „wie ein Mühlstein um unseren Hals“ und die „zu profillose“ FDP sei „aus Angst vor der eigenen Courage zu viele Kompromisse eingegangen“.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Fotorechte unten.

Die Partei müsse daher wieder „Nukleus der Freiheitsbewegung in Deutschland“ sein und brauche für die gegenwärtige Krisenzeit ein neues, aktualisiertes Grundsatzprogramm. Die „Karlsruher Freiheitsthesen“ von 2012 – noch aus der Merkelzeit – seien inzwischen politisch veraltet, „die damaligen Antworten sind heute betrachtet von gestern“.

Schäffle schlägt als liberale Antworten vor: Autokratische Länder müssten ökonomisch geächtet und neue Freihandelsabkommen geschlossen werden. Es brauche eine Sicherheitspolitik der Abschreckung. Die Machtausweitung des Staats in der Corona-Krise solle umgekehrt werden, „um eine freie Gesellschaft zu erhalten“. Dazu schlägt Schäffler auch vor, die digitale Souveränität zu stärken, also die Kontrolle über die eigenen Daten gegenüber staatlicher Überwachung. Die FDP müsse sich auch für Meinungsfreiheit stark machen und für eine Diskussion um Policital Correctness: „Der Meinungsdiskurs darf in einer freien Gesellschaft von Niemanden mundtot gemacht werden.“

Behält die FDP ihre Stammwähler nicht bei sich und kann keine neuen Wähler gewinnen, droht ihr das nächste Wahldebakel: Bei der Wählerumfrage BayernTrend des Bayrischen Rundfunks verlor die FDP in Bayern gerade vier Prozentpunkte und kommt nur noch auf drei Prozent. Die Liberalen haben damit bis zur bayrischen Landtagswahl voraussichtlich im Herbst 2023 noch ein Jahr, sich zu profilieren und bayrische Wähler von sich zu überzeugen. Auch in Bremen und Hessen stehen kommendes Jahr Landtagswahlen an. Ob und wie die FDP wieder reformiert und an Stärke gewinnt, wird sich zeigen.

Titelfoto: 4028mdk09FDP Heißluftballon D-OFDP 2011CC BY-SA 3.0

Foto Frank Schäffler: Olaf Kosinsky, 2020-10-29 Frank Schäffler MdB FDP by OlafKosinsky 2643CC BY-SA 3.0 DE


Mehr lesen?

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert