Viele Patienten in den Kliniken haben Covid nur als Nebendiagnose.

Neue Recherche entzerrt Hospitalisierungsinzidenz in den Bundesländern

Die Datenbasis für die Hospitalisierungsinzidenz von Corona-Patienten ist laut WELT AM SONNTAG-Recherchen in vielen Bundesländern fragwürdig und basiert auf falschen Zahlen.

Symbolbild: Parentingupstream / Pixabay

Große Klinikverbände sagten der WELT schon Ende September, auch Patienten mit Covid als Nebendiagnose dem Robert Koch-Institut (RKI, Berlin) als Corona-Patienten zu melden. Das RKI zählt demnach Krankenhauspatienten aufgrund eines Verkehrsunfalls bei positiven PCR-Test in die Statistik für Corona-Patienten. Auch, wenn sie wegen fehlender Symptomatik keine spezifische Covid-19 Behandlung erhalten und sich nur der Quarantäne wegen auf Isolierstation befinden.

Die WELT am Sonntag-Reporter Tim Röhn und Benjamin Stibi befragten nun die Bundesländer, wie viele Patienten mit Covid als Haupt- und Nebendiagnose in den Krankenhäusern liegen. Wie die Angaben zeigen, ist häufig bei bis zur Hälfte der Patienten Covid gar nicht der Einweisungsgrund oder der Grund für die Krankenhauseinweisung unklar. Dennoch gehen diese Patienten in die RKI Statistik fälschlich als vermeintliche Corona-Patienten ein.

Wegen Covid im KrankenhausWegen anderer UrsacheUnbekannt
Berlin 472429
Baden-Württemberg 68,415,616
NRW 47,134,918
Thüringen 40,219,840,0
Rheinland-Pfalz 532720
Angaben in Prozent. Quelle: WELT

Die Bundesländer Sachsen, Hessen und Bayern lieferten der WELT keine Daten zur Hospitalisierungsinzidenz, Hamburg gab an, keine Daten zu erfassen, und das Saarland verwies auf das RKI.


Spiegel TV-Reportage: Eine Inderin kam nach einem Verkehrsunfall ins Krankenhaus. Nach einem trotz doppelter Impfung positiven PCR-Test kommt sie auf die Corona-Isolierstation und geht in die offizielle RKI-Statistik als „Corona-Patientin“ ein. Eine Halskrause trägt sie – Corona-Symptome hat sie keine. (Video startet an der entsprechenden Zeitmarke.)


Einige Bundesländer geben verzerrte Inzidenzzahlen an

Zuvor deckte WELT im Dezember die fragwürdige Corona-Inzidenz für Bayern auf: Demnach sei bei bis zu 70 Prozent positiv Getesteten der Impfstatus unklar, sie seien dennoch in die Inzidenz für Ungeimpfte verrechnet worden. Auch Hamburg und Sachsen errechneten ihre Inzidenzen auf diese fragwürdige Weise. Mit den verzerrten Zahlen begründete der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine einschränkenden Maßnahmen, da nach Söders Aussagen die Inzidenz bei Ungeimpften verglichen mit Geimpften vermeintlich 16-fach höher liege.

Als Konsequenz der WELT-Recherche versetzt Söder den Amtspräsidenten Walter Jonas nach nur einem Jahr im Amt in die Oberpfalz. FDP-Fraktionschef Martin Hagen nannte das gegenüber der WELT ein „Bauernopfer“ und forderte erneut: „Die Staatsregierung muss endlich die umstrittenen Corona-Zahlen offenlegen.“ Hamburgs Oberbürgermeiste Tschentscher kündigte derweil zu den verzerrten Zahlen an, bis Jahresende rückwirkend verlässliche Zahlen nachzuliefern.

Bereits im April und Mai berichtete Thomas Maul für die Seiten Achgut und Reitschuster von einem „Intensivbettenschwindel“. Demnach habe die Bettenauslastung 2020 zu keinem Zeitpunkt bei mehr als 79 Prozent gelegen, was für Krankenhäuser der Idealauslastung entspreche. Auch das Bundesministerium für Gesundheit gab Ende April an, nur vier Prozent aller deutschen Krankenhausbetten seien 2020 mit Corona-Patienten belegt gewesen. Maul folgerte daraus: „Die Grundrechte einschränkenden Anti-Corona-Maßnahmen beruhen neben dem Inzidenzwert-Humbug damit auf einem großen Intensivbetten-Schwindel. Punkt.“


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