„Der Staat will Gott sein“ – Freie Kirchen über Corona-Politik (ACCH-Konferenz)
Alle Bürger erlitten massive Einschränkungen durch die Coronapolitik. Kirchen und gläubige Christen waren in ihrem lebendigen Glaubensleben von den Einschränkungen der letzten zweieinhalb Jahren besonders betroffen. Am vergangenen Samstag diskutierten vor diesem Hintergrund Pastoren verschiedener evangelischer Freikirchen das Verhältnis von Kirche zur Staatsmacht. Die Konferenz „Kirchen in der Corona-Krise? Rückblick und Ausblick“ in Frankfurt/Main veranstaltete der Arbeitskreis Christliche Corona-Hilfe (ACCH), ein Zusammenschluss von Pastoren, Predigern und Mitarbeitern christlicher Gemeinden und Werke.
Wo die großen katholischen und evangelischen Volkskirchen willfährig den staatlichen Vorgaben folgten und ihr Glaubensleben massiv einschränkten, gab es in vielen unabhängigen, selbstorganisierten Kirchgemeinden deutlich mehr Widerspruch. Zeitweilige Versammlungs-, Gottesdienst- und Gesangsverbote, Maskenpflicht, eine drohende Impfpflicht – all das beschäftigte deutschlandweit auch viele freie Kirchen.
Der Staat verlangt quasi-religiösen Gehorsam
Einer der zwei Pastoren der Evangelisch-reformierten Baptistengemeinde (ERB) in Frankfurt am Main, Tobias Riemenschneider, blickte auf die Corona-Politik der letzten zwei Jahre zurück. Er sprach von „beispiellosen“ Verboten und Einschränkungen von Gemeindeversammlungen während der „Lockdowns“, also zeitweisen Kontakt- und Berufsverboten. Der christliche Gottesdienst müsse immer ein Präsenzgottesdienst sein; eine virtuelle Live-Übertragung via Internet sei dafür kein Ersatz.
Riemenschneider erinnerte an Abstandsgebote, Maskenpflicht, staatlich genötigte Ausgrenzung von Nicht-Geimpften und Nicht-Getesteten aus Gottesdiensten; Hochzeiten, Taufen und Abendmahl durften nicht rechtmäßig durchgeführt werden, der Gemeindegesang wurde verboten oder eingeschränkt. Der Pastor mahnte: „Ich weiß nicht, ob wir alle wissen, was das für eine Sünde ist, dem Schöpfer seinen Lobgesang zu verwehren.“ Alle diese Maßnahmen verhinderten entscheidend die gebotene christliche Nächstenliebe, das füreinander Dasein und die christliche Gemeinschaft. Der Pastor äußerte etwas sarkastisch: Jesus habe nie gesagt, „Kommt her zu mir, alle, die ihr geimpft, genesen oder getestet seid!“
Riemenschneider ordnete auf der ACCH-Konferenz die Politik geistlich ein: Christlich-biblisch gesehen „liegt die ganze Welt im Bösen“. Gegenüber Gott gebe es keine Neutralität, jeder Mensch sei entweder Kind Gottes oder Kind des Teufels; daher gebe es auch keinen neutralen Staat, keine neutrale Politik. Riemenschneider: „Wenn sie Gott nicht lieben, ist das Ergebnis immer Lüge, Hass und Tod.“
Viele Menschen hielten den Staat für neutral. Als quasi-religiöse Überzeugungen propagiere der Staat aber „unter dem Deckmantel der Barmherzigkeit und Nächstenliebe“ Ideologien wie den menschengemachten Klimawandel, „my body, my choice“ (Abtreibungen), Homosexualität und Transgender sowie Euthanasie. Da die Regierung in der Corona-Zeit unter dem vermeintlichen Vorwand gehandelt habe, die Menschen vor Gefahren zu schützen, vertrauten viele Bürger ihr unkritisch; das sei ein großer Irrtum.
Der Staat will Gott sein
Wie der evangelisch-reformierte Pastor auf der ACCH-Konferenz sagte, spiegelten sich im deutschen Grundgesetz die Gebote und Ordnungen des Gottes der Bibel. Jedoch entchristlichten sich Staat und Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten massiv. Seit den links-revolutionären 68ern hätten „die Gottlosen den Zug durch die Institutionen geschafft“. Als neue Weltsicht habe sich Materialismus sowie ein radikaler Naturalismus ohne Gott durchgesetzt, und „das hat Auswirkungen auf Moral, Leben und Gesellschaft“. Eine gottlose Weltsicht führe auch zu einer gottlosen Politik, so dass inzwischen das Böse gut und das Gute böse genannt werde.
Ein gottloser Staat hasse Gott und wolle selbst Gott sein, indem der Staat als oberste moralische Instanz bestimmen wolle, was gut und böse ist. Riemenschneider nannte das „eine absolute Staatsherrschaft über das Denken der Menschen, wie im Nationalsozialismus und Kommunismus“. Wer den staatlichen Ideologien widerspricht, gelte als „Ketzer“, Staatsfeind und Volksverhetzer. Für den reformierten Theologen ähnelt der Corona-Staat nicht mehr der Beschreibung des Paulus (Römerbrief Kapitel 13), sondern inzwischen mehr der endzeitlichen, antichristlichen Gewaltherrschaft aus der Offenbarung des Johannes (Kapitel 13).
Riemenschneider ermutigte Christen, auch in schwierigen Zeiten weiterhin Jesus Christus nachzufolgen, „bis er kommt“. Es geschehe nichts in dieser Welt, was nicht zu ihrem Besten diene. Eine Aufgabe der christlichen Kirche sei auch, „gegen Gottlosigkeit und Gesetzlosigkeit zu predigen“, und dabei auch Politiker und den Staat zur Umkehr zu rufen. Die Pastoren der Konferenz waren sich einig, dass nicht Politiker, sondern Christus der Herr der ganzen Welt ist.
„Christus ist das Haupt der Kirche, nicht Cäsar“
Der Pastor der Bekennenden Evangelischen Gemeinde Hannover (BEG Hannover), Dr. Wolfgang Nestvogel, beklagte, er könne seit der Coronazeit den Gerichten nicht mehr recht vertrauen. „Die Rechtsprechung hätte das Recht verteidigen sollen anstatt das Unrecht zu legitimieren.“
Der evangelikale Theologe betonte die Unabhängigkeit von Kirche und Staat. Beide hätten unterschiedliche Aufgaben in jeweils anderen Autoritätsbereichen. Der Staat dürfe sich nicht in Kirchenangelegenheiten einmischen und die Kirchen nicht in staatliche Dinge hineinregieren. Allerdings „sehen wir uns zurzeit einem Staat gegenüber, der zunehmend einen religiösen Anspruch hat, vor allem, indem er bestimmte ethische Dogmen vorschreiben will“. Er wolle seinen Zugriff auf die Bürger immer mehr ausweiten. Hier müssten die christlichen Kirchen dem Staat öffentlich widersprechen, ihn zurechtweisen und in seine Schranken weisen. Christen müssten unabhängig von der „staatlichen Zivilreligion“ (Nestvogel) nur Gott nachfolgen: „Christus ist das Haupt der Kirche, nicht Cäsar.“ Indem die Kirchen den Staat in seine rechtmäßigen Schranken verweisen, nützten und dienten sie dem Staat.
Wie Nestvogel sagt, braucht es die christliche Kirche als „eine Wahrheitsbewegung für eine Gesellschaft, die sich zunehmends in Lügen verstrickt“. Dafür müsste die Kirche und die Christen öffentlich viel präsenter sein.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion der ACCH-Konferenz äußerte Nestvogel seine Überzeugung, dass gesellschaftliche Debatten nicht mit aufgewühlter Emotionalität, sondern mit guten Argumenten gewonnen werden: „Wir glauben nicht an die Postmoderne, dass Argumente nichts mehr zählen. Ich würde auf die Kraft des Arguments und auf die Überzeugungswucht des biblischen Wortes setzen.“
Titelbild: Bildschirmfoto Youtube / ERB Frankfurt
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