Die unabhängige Presse wird zensiert.

Razzia gegen regierungskritische Zeitung: „Stand News“in Hongkong stellt Betrieb ein

Hongkong – Um die Pressefreiheit in Hongkong steht es nicht gut. Nachdem Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam im Juni bereits die prodemokratische Zeitung „Apple Daily“ zur Aufgabe zwang und Journalisten inhaftieren ließ, trifft es jetzt die regierungskritische unabhängige Presse „Stand News“. Wie deutsche Medien berichten, nahm die Polizei am gestrigen Mittwoch sechs oder sieben Journalisten und ehemalige Mitarbeiter fest. – Die genaue Zahl ist in den Berichten unterschiedlich. – Unter diesen seien auch der Chefredakteur von Stand News, Patrick Lam, und sein Vorgänger Chung Pui Kuen. Der Vorwurf lautet: „Verschwörung mit dem Ziel der Verbreitung umstürzlerischer Inhalte.“

Gleichzeitig untersuchten 200 uniformierte und zivile Polizisten in einer Razzia das Redaktionsgebäude sowie Privatwohnungen von Mitarbeitern und beschlagnahmten journalistisches Material. Die Regierung Hongkongs hat das Vermögen des Medienunternehmens eingefroren, die Zeitung stellte daraufhin am Mittwoch den Betrieb ein.

Die Nicht-Regierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (RSF, Berlin) hat das 2014 gegründete „Stand News“ dieses Jahr in der Kategorie „Unabhängigkeit“ für die Press Freedom Awards 2021 nominiert. Die Zeitung berichte über wichtige politische und soziale Entwicklungen sowie Gerichtsprozesse im Zusammenhang mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz.

Bericht der Hongkong Free Press zur Inhaftierung von Patrick Lam von „Stand News“.

Staaten und Reporter ohne Grenzen verurteilen Vorgehen gegen Pressefreiheit

RSF verlangt die Freilassung aller inhaftierten Journalisten und ruft die Staatengemeinschaft zum Handeln auf. „Die Demokratien der Welt müssen nun handeln, bevor Chinas Modell der Informationskontrolle ein weiteres Opfer fordert“, fordert RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

Cedric Alviani von RSF in Ostasien sagte der Tagesschau: „‚Stand News‘ in Hongkong ist ein sehr wichtiges, unabhängiges Medium. Das Problem ist, dass es heutzutage in Hongkong wie auch in Festlandchina bei den Behörden als Verbrechen gilt, dass Reporter berichten, was passiert. Es ist ein Krieg gegen den unabhängigen Journalismus. Offensichtlich tolerieren sie nicht, dass Medien Dinge berichten, die nicht ins Narrativ passen.“

Wie eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums gestern mitteilte, dürfe kritischer Journalismus nicht unter Generalverdacht gestellt werden. „Die polizeilichen Durchsuchungen, die wir da heute beobachten konnten, zeigen aus unserer Sicht abermals, wie das Nationale Sicherheitsgesetz und auch andere Bestimmungen willkürlich und selektiv angewandt werden, um gegen kritische Stimmen vorzugehen.“ Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit erodierten in Hongkong seit Inkrafttreten des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020.

US-Außenminister Antony Blinken forderte, „die freien und unabhängigen Medien in Hongkong nicht länger ins Visier zu nehmen und die zu Unrecht inhaftierten und angeklagten Journalisten und Medienschaffenden unverzüglich freizulassen“.

Regierung Hongkongs: Stand News verwirrt öffentliche Meinung

Hongkongs Regierungschefin Lam sagte derweil, das Vorgehen der Behörden habe nichts mit einer Unterdrückung der Pressefreiheit zu tun. „Journalismus ist nicht aufrührerisch“, sagte Lam. Unter dem Mantel der Berichterstattung werde aber aufrührerische Aktivität nicht geduldet. Eine Regierungssprecherin äußerte laut NTV: „Einige ausländische Kräfte haben unter dem Deckmantel der Pressefreiheit unverantwortliche Bemerkungen über den Gesetzesvollzug in Hongkong gemacht.“ Richtig und Falsch werde durcheinander gebracht und die öffentliche Meinung in die Irre geführt.

Reporter ohne Grenzen (RSF) spricht dagegen durch das von Peking 2020 verabschiedete Sicherheitsgesetz von einem „beispiellosen Ausmaß der Unterdrückung von Journalismus und Informationsfreiheit in China und Hongkong“. Es handle sich um eine „Kriegserklärung“ des chinesischen Regimes gegen eine unabhängige Presse.

2002 war Hongkong auf der Liste zur weltweiten Pressefreiheit von RSF noch auf Platz 18. 2021 fiel Hongkong auf Platz 80. China steht von 180 Ländern auf Platz 177. Deutschland steht 2021 auf Platz 13 und ist im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze gefallen.


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