Wo waren die Nazis? Eindrücke einer Montagsdemo von „Wetzlar steht auf“
Von Christian Albrecht
Seit drei Wochen versammeln sich in der kleinen Stadt Wetzlar in Hessen Bürger zu Kundgebungen. Sie demonstrieren in der 50.000-Einwohner Stadt unter dem Motto „Wetzlar steht auf“ gegen die Corona-Politik, Freiheitseinschränkungen und eine Impfpflicht.
Vor dem Rathaus Wetzlar standen gegen 18:30 Uhr laut Polizei und Veranstalter rund 200 Demonstranten vor einem kleinen Zelt mit Lautsprecher. Die Demonstranten kamen augenscheinlich aus allen Gesellschaftsschichten. Viele Jüngere und Ältere waren dabei. Einige Teilnehmer hielten Schilder mit Aufschriften gegen eine Impfpflicht hoch. Die wenigsten trugen an frischer Luft keine Mundnasen-Bedeckung, die meisten standen aber in gewissen Abständen zueinander. Ein Teilnehmer sagte mir im Gespräch, er habe entfernt von Leuten gehört, die an Corona verstorben seien, er habe aber aus dem nahen Umfeld Bekannte, die kurz nach der Impfung verstorben seien. Er sieht insgesamt Impfungen kritisch und plädiert für Freiheit und Selbstbestimmung in der Impffrage. Die Einmischung der Politik in diese Entscheidung der Menschen lehnt er ab.
Demo-Organisator Heiko hielt seine Ansprache. Als er sagte: „Ich bin gegen jede Form von Extremismus, ob von links oder rechts“, klatschten die Teilnehmer lautstark und zollten Beifall. Von den vermeintlichen Nazis in der Corona-Protestbewegung kam kein Widerspruch – vermutlich, weil sich wenigstens in Wetzlar keine Nazis unter den Demonstranten befanden.
Der nächste Redner, der sich als Chris vorstellte und über sich sagte, schnell emotional zu werden, empfindet die Corona-Regeln als „völlig sinnbefreit“. Dafür nannte er einige Bespiele: So müsse er im Schreibwarenladen zum Einkaufen zwar seinen Impfausweis vorzeigen, zum Kopieren brauche er das dann aber nicht. Oder eine ungeimpfte Kellnerin, die zwar während ihrer Arbeitszeit Kunden bedienen dürfe, aber in ihrer Freizeit ohne Impfnachweis den Laden nicht zum Mittagessen betreten dürfe. Chris fragte: „In welchem Irrenhaus leben wir hier eigentlich?“ Rund 200 Zuhörer riefen dann „Friede, Freiheit, Demokratie!“. Chris betont noch, „mit uns wird es keine Impfpflicht geben.“
Auch der nächste Sprecher Alfred kritisierte die Ausgrenzung von Teilen der Gesellschaft und sprach sich aus für eine freie Impfentscheidung. Teile der Gesellschaft nähmen die Demos undifferenziert als Impfgegner und Rechtsextreme wahr – „was wir keinesfalls sind“, wie Alfred dann betonte.
Die Kundgebung verlief friedlich und ohne Zwischenfälle. Nur wenige Polizisten waren vor Ort. Nach etwa zwei Stunden löste der Veranstalter die Kundgebung ordentlich auf. Die meisten der frierenden Teilnehmer verließen den Rathausplatz und suchten bei mittlerweile -3 Grad ihre warme Stube auf, einige Leute blieben noch für Gespräche zurück. Die Montagsdemos finden aktuell weiterhin wöchentlich um 18:30 Uhr vor dem Wetzlarer Rathaus statt.
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