Virologe: Totimpfstoffe erzeugen Immunantwort gegen alle Virusbestandteile
Leipzig – Gestern wurde in der EU der von der US-Firma Novavax produzierte Totimpfstoff zugelassen. Totimpfstoffe erzeugen eine Immunantwort gegen praktisch alle Bestandteile des Coronavirus. Das sagte der 2020 emeritierte Virologe Uwe G. Liebert vom Universitätsklinikum Leipzig dem Nachrichtensender WELT. Totimpfstoffe seien im Gegensatz zu neuartigen mRNA-Impfstoffen „eine klassische Art, Impfstoffe herzustellen“. Komplette Viruspartikel würden inaktiviert, so dass sie sich nicht mehr vermehren könnten. Im Gegensatz dazu müsse von der mRNA noch ein Eiweißkörper abgelesen werden.
Nebenwirkungen bei Totimpstoffen seien dem Virologen zufolge „wahrscheinlich sehr gering“. Über die Wirksamkeitsdauer ließen sich dagegen noch keine Aussage machen. Sie würden „auf jeden Fall einen Teilimpfschutz“ hervorrufen. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe wirkten nach allen bisherigen Erkenntnissen „exzellent“. Laut Liebert könnten die Totimpfstoffe ab Mitte Januar 2022 verfügbar sein und viele Impfunwillige überzeugen, sich doch noch impfen zu lassen.
Wie der Virologe sagt, ist die neue „Omikron“-Variante infektiöser, unklar sei jedoch noch die Gefährlichkeit. Möglicherweise sei sie vergleichbar mit der von „Delta“. Die „Omikron“-Infektionszahlen stiegen jedoch erheblich an und verdoppelten sich alle zwei Tage.
Expertenrat warnt vor „Omikron-Welle“
Die derzeit sinkenden Inzidenzen versteht auch der 19-köpfige Expertenrat der Bundesregierung nicht als Zeichen der Entspannung. Die neue „Omikron-Welle“ bringe eine neue Dimension in das Pandemiegeschehen, da die Variante infektiöser sei und einen Immunschutz unterlaufen könne, so dass auch Geimpfte und Genesene verstärkt zum Infektionsgeschehen beitrügen. Einen deutlich verbesserten Schutz bieten laut Corona-Expertenrat Nachimpfungen bei bereits vollständig Geimpften, sogenannte „Booster“.
Der Expertenrat sieht durch schnell steigende Inzidenzen hohe Risiken für die kritische Infrastruktur in Deutschland, wie Krankenkhäuser, Polizei, Rettungsdienste, Telekommuikation, Strom- und Wasserversorgung sowie die entsprechende Logistik. Daher sollte die Bundesregierung weitere Kontaktbeschränkungen einführen – auch für Geimpfte – sowie die Impfkampagne mit Drittimpfungen fortsetzen. Die Bevölkerung solle größere Zusammenkünfte vermeiden, in Innenbereichen bevorzugt FFP2-Masken tragen und bei Zusammenkünften während der Weihnachtsfesttage Schnelltests verwenden.
Kritik am Expertenrat: „Ausschließlich Katastrophenszenarien für die Zukunft“
Der Wissenschaftsphilosoph Jörg Phil Friedrich kritisiert in einem Gastkommentar für die WELT, der Expertenrat leite „ausschließlich Katastrophenszenarien für die Zukunft“ ab. Der Expertenrat erwähne in seiner Stellungnahme nicht, dass die Infektionszahlen aus dem mutmaßlichen Herkunftsland der neuen Variante, Südafrika, wieder rückläufig seien und in Großbritannien trotz steigender „Omikron“-Infektionszahlen die Zahl der Todesopfer kontinuierlich sinke. „All das mit in den Blick zu nehmen, hätte für die Einschätzung der tatsächlichen aktuellen Situation ein differenziertes Bild ergeben.“
Der Expertenrat zeichne dagegen einseitig ein „Worst Case“-Szenario: „Doch das einzige Konzept der Stellungnahme ist, Angst zu verbreiten – auf dass die Bevölkerung trotz mehrfachen Impfungen wieder Maßnahmen akzeptiert, die wohl vor einem Jahr noch Lockdown genannt worden wären.“
Alle 19 Mitglieder des Expertenrates sollen sich bei der einstimmig angenommene Stellungnahme laut Friedrich „fragen, an welcher Dynamik er da mitwirkt und ob das verantwortbar ist“.
Symbolbild: Arek Socha / Pixabay
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