Eine Gruppe Polizisten in voller Montour wartet auf ihren Einsatz. Manchmal geschieht dabei auch ein tödlicher Polizeieinsatz.

Der Polizist als Straßentherapeut – ZDF-Kritik „Tödlicher Polizeieinsatz“

Die ZDF-Sendung „Tödlicher Polizeieinsatz“ bemängelt einseitig, wie Polizisten mit Personen in „psychischen Ausnahmesituationen“ umgehen. Einer der Journalisten hat offenbar gute Kontakte zur linksextremen Szene. Von Christian Albrecht

Polizisten stehen bei antiautoritären Linke, die das Gewaltmonopol des Staates als „Repression“ ablehnen, seit Jahrzehnten in der Kritik. Sie kritisieren eine vermeintliche übertriebene Polizeigewalt und tödliche Polizeieinsätze. Dabei ignorieren und verschweigen sie gern, daß die Beamten bei ihrer Arbeit oft selbst auf enthemmte, respektlose und aggressive Personen treffen. Die immer häufiger auch mit einer lebensgefährlichen Stichwaffe, einem Messer, bewaffnet sind. Anfang Mai brachte das ZDF in der Reihe „Die Spur“ eine Folge namens „Tödlicher Polizeieinsatz – Warum musste Mouhamed sterben“. Die beiden Leipziger Journalisten Marcel Siepmann und Aiko Kempen gehen dabei der Frage nach: Wie gut sind Polizisten auf Situationen mit Menschen in einer „psychischen Ausnahmesituation“ vorbereitet?

Dabei postulieren sie subtil die Erwartung: Polizisten sollten im Umgang mit Straftätern und seelisch labilen Personen in einer Krise fast schon übermenschliche psychisch-therapeutische Fähigkeiten besitzen. Die Grundidee: Polizisten bräuchten ein weniger autoritäres Vorgehen und mehr psychologisches Feingefühl, um Einsatzlagen zu lösen. Von der Straße auf die freudsche Therapiecouch.

Todesursache „Tödlicher Polizeieinsatz“

Die Sendung rekonstruiert den Tod des 16jährigen Senegalesen Mouhamed Dramé. Der Fall ging durch die Medien und löste erneut eine Debatte um Polizeigewalt aus. Der jugendliche Migrant erschien am 8. August 2022 mit einem Messer in einer Dortmunder Jugendeinrichtung, drohte, sich selbst damit umzubringen, und wurde unglücklicherweise von einem zur Hilfe gerufenen Polizeiteam im Einsatz erschossen.

Der ZDF-Journalist Siepmann spricht während seiner Recherche mit Dramés Sozialarbeiter und einer Polizeiwissenschaftlerin, zitiert anonym bleibende Polizeibeamte und besucht ein Polizeiseminar in Berlin. Kempen wiederum präsentiert ein eingeklagtes „Geheimdokument der Polizei NRW“, um die vermeintliche „neue Härte“ der Sicherheitsbehörden aufzuzeigen. Die Journalisten kommen zu den Schlüssen:

  1. Es sterben immer wieder Menschen in „psychischen Ausnahmesituationen“ durch Schüsse der Polizei.
  2. Die Beamten sind auf solche Lagen nicht vorbereitet, denn zu wenige Polizisten werden dafür extra geschult.
  3. Es fehlt während einem Polizeieinsatz an Kommunikation mit den Personen.

Polizist oder Straßentherapeut?

Nach bisherigen Erkenntnisstand ist Dramé seit seiner Einreise über Spanien und Frankreich nach Deutschland seelisch labil gewesen, sei suizidal und depressiv gewesen. Eine seiner Kontaktpersonen, der Sozialarbeiter William Dountio, sagt in der Sendung: „Ich glaube, Mouhamed hat dagegen gekämpft, konnte es aber nicht allein. Er hat Hilfe gebraucht und nie bekommen.“ Als Dramé mit einem Messer in seiner Jugendeinrichtung erschien und mit Selbstmord drohte, rief ein Mitarbeiter die Polizei zur Hilfe. Wenn nicht einmal die sozialpädagogisch geschulten Jugendarbeiter sich weiterzuhelfen wussten – wie sollte es da die Polizei?

Die Sendung „Tödlicher Polizeieinsatz“ lässt dabei unklar, was eine „psychische Ausnahmesituation“ genau sein soll. Ein schwammiges Konzept. Was gilt darunter, und was nicht? Sind auch Verliebtsein, Wutanfälle, Neid, Missgunst und Mordgelüste psychische Ausnahmezustände? Wie grenzt sich das ab von einer psychiatrisch klar definierten psychischen Krankheit, wie einem psychotischen Schub, einer Persönlichkeitsstörung oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung? Weist eine Frau einen Mann zurück und er ermordet sie darauf mit einem Messer, gelten Verzweiflung, Wut und Kränkung dann auch als „psychische Ausnahmesituation“?

Der Einsatzleiter gab schließlich den Befehl, Pfefferspray auf den jungen Senegalesen einzusetzen. Der bislang regungslos sitzende Dramé stand daraufhin mit dem Messer auf und ging auf die Polizisten zu – Geschwindigkeit und Absicht unbekannt. Zwei Polizisten schossen mit dem Elekro-Taser, ein anderer entließ die tödlichen Schüsse aus der Maschinenpistole. Der Journalist Siepmann kommentiert aus dem Off: „Die Polizei wird also gerufen, um Mohammed abzuhalten, sich das Leben zu nehmen. Doch am Ende des Einsatzes wird Mohammed tot sein. Getötet durch Schüsse aus einer Maschinenpistole.“ Hier urteilt die Sendung ganz richtig: Das Pfefferspray gegen eine regungslose Person, von der bis dahin trotz Messer in der Hand keine Aggression ausging, war eine klare polizeiliche Fehlentscheidung. Das „Einpfeffern“ ließ die zuvor statische Situation in diesem Polizeieinsatz erst eskalieren.

Ein Journalist mit guten Kontakten zur linksextremen Szene

Der Leipziger Investigativjournalist Aiko Kempen arbeitete unter anderem für die linken Tageszeitungen „taz“ und das frühere SED-Blatt „Neues Deutschland“. In einigen Artikel relativierte er dabei Gewalttaten auf Polizisten durch Linksextremisten. Seit 2022 ist er im Recherche-Team der Online-Plattform „Frag den Staat“, über die jeder nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei staatlichen Behörden Auskünfte verlangen kann. Kempen spezialisierte sich auf Rechtsextremismus und Polizeigewalt und schrieb laut Selbstauskunft auch für das linksextreme „Antifa Infoblatt“ aus Berlin.

Mit Mitgliedern der Leipziger „Antifa“ („Antifaschistische Aktion“), die Außenstehenden üblicherweise sehr misstraut und verschlossen ist, führte er Interviews. Der „Antifa United Rostock“ gab er im Januar eine Lesung zu seinem Buch „Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei“. Derselben „Antifa“-Gruppe, die auf ihrer Website „Free Lina“ fordert. Lina E. ist eine Leipziger Studentin und mutmaßlich eine Anführerin einer linksextremen kriminellen Vereinigung. Sie muss sich vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten.

Unfaire Vorstellung des „Geheimpapiers Polizei NRW“

Kempen kritisiert in der Sendung ein „Geheimpapier der Polizei NRW“, Titel :“Respektlosigkeit und Gewalt gegen PVB“, also Polizeivollzugsbeamte. „Frag den Staat“ hat es nach einer erfolgreichen Gerichtsklage zur Freigabe des Papiers auf ihrer Plattform veröffentlicht. Liest man das Dokument selbst, entsteht der Eindruck, die ZDF-Sendung stellt das Dokument mit einem Wahrnehmungsfilter vor, der die Polizei möglichst schlecht darstellt. So kritisiert der Journalist, daß es in dem Dokument heißt, die Polizei NRW müsse „an Konsequenz, Stabilität, Führungsstärke und Robustheit deutlich zulegen“. Doch was ist daran kritisch?

Kempen bemängelt das Vorgehen der Polizei NRW als „Durchsetzen statt Kommunikation und Verständigung“ und spricht in seinem Begleitartikel zur ZDF-Sendung „Tödlicher Polizeieinsatz“ von einer „neuen Härte“. Er zitiert selektiv ein Wort aus dem veröffentlichten Polizeipapier: Die Polizei müsse „gewaltfähig“ werden, so als solle die Polizei aggressiv auftreten. Der Kontext wird ausgelassen, dort heißt es im Dokument: „Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen durchsetzungsfähig und -stark und damit letztlich gewaltfähig, aber nicht gewaltaffin werden.“ Also keine aggressiven blauen Prügel-Beamten.

Polizisten verteidigen das staatliche Gewaltmonopol

Die ZDF-Sendung informiert die Zuschauer auch nicht über die im Papier immer wieder erwähnte steigende Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten. Das war erst der Grund für das neue Strategiepapier. Die Polizei NRW argumentiert darin immer wieder mit dem staatlichen Gewaltmonopol, das durch Respektlosigkeit und Gewalt gegen Polizisten angegriffen werde: „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte (PVB) ist immer zugleich ein Angriff auf den Staat – im Besonderen auf sein Gewaltmonopol. Das Gewaltmonopol ist die unverzichtbare Grundlage zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit und damit die Basis für ein friedliches Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat.“ Die ZDF-Sendung „Tödlicher Polizeieinsatz“ framt Polizei aus linker Sicht einseitig negativ

Sicher ist: Polizisten müssen für die verschiedensten Situationen gut trainiert sein, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Auch der Umgang mit verhaltensgestörten Menschen und psychisch Kranken muss geübt sein. Die Sendung macht deutlich: Der Einsatz mit Pfefferspray gegen den jugendlichen Senegalesen Mouhamed Dramé ließ die Situation eskalieren und war ein katastrophaler Fehler. Doch die subtile Erwartung an einen „therapeutische Polizeieinsatz“ ist übertrieben.

Polizisten sind nur Menschen, und auch Sozialpädagogen oder Seelenfachmänner wissen oft nicht weiter – sonst hätten die mit der Situation überforderte Jugendeinrichtung nicht die Polizei zur Hilfe gerufen. Polizisten verhüten Verbrechen und klären diese auf, bewahren die Ordnung und stellen sie wieder her. Polizisten sind keine Sozialarbeiter oder Therapeuten. Die Couch soll beim Fachmann bleiben.


Mehr lesen?

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert