Julian Reichelt in der Sendung Achtung, Reichelt!

„Genehmigte Opposition“ – AfD-Sprecher schilt Julian Reichelt

Der neue politisch-kommentierende Youtube-Kanal „Achtung, Reichelt!“ vom früheren „BILD“-Chef Julian Reichelt ist in den letzten Monaten auf über 200.000 Youtube-Abonnenten angewachsen. Der AfD-Politiker Peter Boehringer unterstellt Reichelt mit seiner Sendung allerdings Heuchelei. Er kritisierte die Sendung in einem Video vom Montag als „genehmigte, kontrollierte Opposition“. Denn auf Reichelts regierungskritische Aussagen würden andere Maßstäbe angewandt als auf die der AfD, so das Mitglied des Deutschen Bundestages. Julian Reichelt könne frei sagen, was die AfD als Oppositionspartei nicht aussprechen dürfe. Die Zuschauer sollten sich laut Boehringer fragen, warum Reichelt als „genehmigte Opposition“ – anders als die AfD – bisher nicht in einem Verfassungsschutz-Bericht vorkomme.

Der stellvertretende Sprecher im AfD-Bundesvorstand kritisierte dazu auch Innenministerin Nancy Faeser und den Verfassungsschutz, der die AfD aufgrund gleicher Aussagen beobachtet: „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Andererseits ist es natürlich gut, dass es einen gibt, der es aussprechen darf.“ Allerdings solle Reichelt in seiner Sendung auch mitteilen, dass die AfD diese Positionen schon lange genauso vertrete.

Boehringer empfiehlt zwar „Achtung, Reichelt!“ und meint, Reichelt habe in seiner Sendung „in den allermeisten Dingen recht“. Ihm missfalle aber, dass der 42-Jährige in seiner Sendung sagen dürfe, wofür andere rechtspolitische Youtuber und die AfD immer wieder zensiert würden. „Achtung, Reichelt!“ werde dagegen vom Youtube-Algorithmus „permanent gepusht“. Boehringer: „Natürlich hat man dann mit so einem Klartext überragenden Erfolg.“ Reichelt habe „quasi ein Monopol auf Sprache, die andere nicht verwenden dürfen“.

Peter Boehringer, stellvertretender Sprecher im Bundesvorstand der AfD.
Peter Boehringer, Sprecher im Bundesvorstand der AfD. Bildrechte unten.

Auch Volksverhetzung bleibt ohne Konsequenzen

So brachte Julian Reichelt in einer Sendung Gewalt direkt mit dem Islam in Verbindung – was die AfD Boehringer zufolge nicht aussprechen dürfe. Auch die interviewte Philosophin und politische Kommentatorin Eva Vlaardingerbroek durfte in der Sendung von „Globalisten, die eine schlimme Agenda haben“ sprechen – Aussagen, die Politik und Medien bei anderen sonst nicht duldeten.

Weiterhin nannte Reichelt die Grünen in einer Sendung „eine Partei, die Kritikern in der Sprache der Nazis droht: Zersetzung“. Wie Boehringer sagt, verharmlose die Aussage das Dritte Reich; sie gelte nach dem Strafgesetzbuch als Volksverhetzung. Julian Reichelt aber dürfe dies ohne Konsequenzen sagen. Deswegen kritisierte Boehringer Reichelt direkt: „Ich glaube aber nicht, dass Sie in eine VS-Beobachtungsakte kommen, dahin kommen immer nur die anderen, die nicht genehmigte, nicht kontrollierte Opposition, die AfD.“

Julian Reichelt vertritt AfD-Positionen, lehnt aber AfD ab

Boehringer warf dem früheren „BILD“-Leiter auch vor, zwar viele AfD-Positionen zu vertreten, sich aber weiterhin wie früher als „BILD“-Chef von der Partei abzugrenzen. So befürworte er, dass Reichelt in seiner Sendung oft hart und polemisch mit den Grünen ins Gericht gehe. Dabei nennt Boehringer es aber „widersinnig, die Grünen faktisch korrekt zu widerlegen, gleichzeitig aber AfD-Fakten permanent eins zu eins zu repetieren und sich dann von uns zu distanzieren.“

In einer Video-Fragestunde von Anfang September äußerte Reichelt sich zu seiner Position zur AfD. Sie sei eine Partei, „die sehr viele Probleme, die sehr viele Menschen betreffen, als einzige thematisiert“, biete aber keine schlüssigen Lösungen an und relativiere den Holocaust. Weiterhin gehören für Reichelt AfD-Themen eigentlich zur klassischen CDU-Programmatik: „Wenn Angela Merkel über die Themen gesprochen hätte, die Menschen bewegen, gäbe es heute keine AfD und niemand hätte das Gefühl, dass es eine AfD bräuchte. Wir glauben, das sind keine Themen vom rechten Rand, sondern es sind Themen der Mitte, und genau dahin gehören sie auch.“ Konkret nannte Reichelt hier unkontrollierte Einwanderung wegen ungeschützten, offenen Grenzen und die Abschaltung von Kraftwerken.

Der vorgeworfenen Holocaust-Relativierung widersprach Boehringer in seinem Video vehement: Wer immer das in seiner Partei vertreten habe, sei ausgeschlossen worden; im Parteiprogramm finde man das auch nicht. Laut Boehringer bringe nur die AfD kritische Themen „gegen allen Widerstand der Tugendwächter und der regenbogenfarbigen political correctness immer wieder kritisch in die Öffentlichkeit, und eben nicht die von Reichelt immer wieder gehypte CDU oder auch die FDP.“

Reichelt als Heuchler, der sich von Mitschuld reinigen will

Für Boehringer wolle sich Reichelt mit der Sendung von „BILD-Zeitungs-Schuld“ freiwaschen. Während seiner Zeit als „BILD“-Chef habe der inzwischen auf Youtube erfolgreiche Journalist das Narrativ „Corona sei die Pest“ und andere Regierungs-Narrative mitgetragen. Erst spät habe die „BILD“ unter Reichelt die Berichterstattung angepasst und die Corona-Politik kritisch hinterfragt.

Boehringer wirft das dem ehemaligen „BILD“-Chef vor: „Warum haben Sie das nicht zwei Jahre früher gemerkt? Warum haben Sie selbst mit der ‚BILD‘-Zeitung zu dieser Spaltung beigetragen? Sie haben an vorderster Front gespalten. Sie sind ein Heuchler. Irgendwann, als es nicht mehr zu halten war, dann dufte auch ein Stück Wahrheit in die ‚BILD‘-Zeitung. Aber Sie waren ganz sicher nicht an vorderster Front, die Lügen und die Heuchelei der damaligen Spahn-Regierung zu beenden.“ Und weiter: „Hören Sie auf, unkritisches Lob für die CDU und Merz auszuschütten und ausgerechnet die AfD permanent auszublenden. Konsequente Nichterwähnung des jahrelangen Schweigens der Mittäterschaft sollten Sie sich auch abgewöhnen und nicht immer wie die CDU so tun, als hätten Sie keine Vergangenheit.“

Im Fazit sieht der AfD-Sprecher in „Achtung, Reichelt!“ den Versuch einer kontrollierten Opposition, „die wahre, langjährige und einzige Opposition niederzuhalten, nämlich uns.“ Dagegen wolle Reichelt „Merz als Kanzler inthronisieren.“

Auf eine schriftliche Anfrage zu einer Stellungnahme hat Julian Reichelt bis zur Veröffentlichung nicht geantwortet.

Titelfoto: Julian Reichelt in seiner Youtube-Sendung „Achtung, Reichelt!“. Screenshot Youtube / Achtung, Reichelt!

Foto von Peter Boehringer: David M. ReymannPeter Boehringer, 2014, Edelmetallmesse MünchenCC BY-SA 4.0

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