Straßenproteste Ukrainekrieg

„Wut-Winter“: Proteste gehören zu einer Demokratie dazu

Dresden – Auch größere Protestbewegungen destabilisieren Deutschland nicht und gehören zu einer Demokratie dazu. „Unsere Demokratie hält Proteste aus“, sagte der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Dresden, Werner Patzelt, bezüglich von erwarteten Bürgerprotesten im Herbst und Winter gegenüber „WELT“. „Wir haben die Pegida-Proteste überlebt, wir haben die Corona-Proteste überlebt, und wir werden ganz gewiss auch Energie- und Russlandproteste überleben.“ Allerdings würden gesellschaftliche Unruhen in Deutschland Russland stärken, wenn der deutsche Staat innerlich seine Politik korrigieren müsse.

In der Bevölkerung herrsche ein „weitverbreitetes Misstrauen darüber, ob die Politik wirklich weiß, was sie tut“ sowie eine „weitverbreitete innere Kündigung gegenüber der politischen Klasse“. Patzelt verweist auf die Corona-Proteste, die „Fridays for Future“-Bewegung, Klima-Proteste (Patzelt: „diejenigen, die sich auf den Straßen festkleben“) und die Pegida-Proteste. Parteien vom rechten und linken Rand müssten Ängste nicht absichtlich schüren – um gestiegene Benzin-, Energie- und Lebensmittelpreise sorgten sich die Bürger auch so.

Wie Patzelt sagt, könnten im Herbst und Winter anders als bei den vergangenen Corona-Protesten auch größere Bevölkerungsgruppen demonstrieren. Denn „von steigenden Preisen sind so ziemlich alle Leute betroffen“. Der Staat könne den Bürgern dann nicht vortäuschen, die Preise stiegen gar nicht und das seien „lediglich Phobien“. Patzelt: „Viel hängt davon ab, ob die Regierung eine plausible Politik macht, in der erkennbar ist, dass sie sich um soziale Gerechtigkeit und Unterstützung derer bemüht, die aus eigener Kraft mit dieser Situation nicht mehr zurechtkommen.“

Die politische Rechte würde laut Patzelt von den Protesten profitieren. Hier herrsche die Vorstellung, dass die Linke den Staat dominiere. „So neigen jene, die den Staat für in falscher Politik befindlich halten, naturgemäß den Rechten zu.“ Weiterhin sei im Osten die Protest- und Empörungsbereitschaft gegen das politische System „wesentlich ausgeprägter als im Westen“.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnet derweil laut dem SPD-nahen „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) nicht mit gewaltsamen Volksaufständen in der kalten Jahreszeit. Für Faeser sind es „Rechtsextremisten, die solche Demonstrationen organisieren, nur um gegen den Staat vorzugehen“. Nur eine kleine Minderheit sei „sehr radikal unterwegs“. Bürger sollten aufpassen, keinen Aktivisten aus der „sehr rechten Ecke“ zu folgen.

Symbolbild: wal_172619 / Pixabay


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